Melancholie mit Spaß gemischt

„Sein vielsagendes „Erntezeit“ und sein „Als das Leben noch nicht losgegangen war“ sind pure Poesie.“ Werner Schilling

Ulis Wohnzimmer: Liedermacher Annet Kuhr und Holger Saarmann spielen im „phillip eins“ Von Werner Schilling / Schwetzinger Zeitung

Speyer. Melancholie und Tiefgang, Spaßvolles und Wortspiele, Karikiertes und Wahrhaftiges. Das alles bunt aufgemischt und in zweieinhalb Stunden gepackt ergibt kurzweilige Unterhaltung.

Es gelingt Songpoet Uli Zehfuß seit drei Jahren stets aufs Neue, zwei Gäste zu sich in sein im Szenelokal „phillip eins“ eingerichtetes „Ulis Wohnzimmer“ einzuladen. Beim vierten und für 2019 letzten Musikabend präsentiert der Singer-Songwriter mit Annet Kuhr aus Rottweil und dem Wahl-Berliner Holger Saarmann zwei Sago-Freunde der von Liedermacher Christof Stählin 1989 gegründeten Mainzer Akademie für Musik und Poesie. Die drei Liedermacher beweisen bei je zwei Soloauftritten und drei gemeinsamen Songs ihre hohe Musikalität und Ausdruckskraft. Holger Saarmann, bei Bamberg aufgewachsen und nach Berlin ausgewandert, gewinnt seinen Erzählungen aus dem Alltagsleben meist mit schelmischem Grinsen eine heitere Note ab. Diese spielt er mit Liedern aus seinem aktuellen Programm „Gestern ist auch noch ein Tag“, gekonnt in Reime vertont, voll aus.

Lieblingsinsel Hiddensee
Einen poesievollen Song hat er über einen gewissen Robert Zimmermann geschrieben, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Bob Dylan. Und der Berliner hat herausgefunden, dass er
sich mit dem Fahrrad in der Hauptstadt mit einem Hamburger Stadtplan ziellos bestens zurechtfindet. Saarmann spricht sich auch klar gegen Papierverschwendung aus, fordert zum Ausnutzen von noch freien Randflächen im Kalender von 2004 aus und fragt sich, ob die
Menschen „am Ende der Welt“ noch Apps empfangen können oder wollen. Annet Kuhr, mit ihrer gefühlsbetonten Altstimme an die früh verstorbene Alexandra erinnernd, regt mit ihren oft von
Traurigkeit gezeichneten Balladen zum Nachdenken über das eigene Tun und Handeln an. Sie wandelt gerne auf dem „Sonnenstrahl des Friedens“ und schwärmt vom geruhsamen Leben auf
ihrer Lieblingsinsel Hiddensee und erinnert sich an eine Zeit, in der auf Feldern noch Kornblumen blühten.

Bisweilen an Hannes Wader oder Werner Lämmerhirt angelehnt, spielt Gastgeber Ulrich Zehfuß seine Lyriksongs auf seine ganz eigene Weise und formt so aus seinen mal anheimelnden, mal
depressiv rüberkommenden Texten wunderbare Lieder, wie sie auf seiner CD „Dünnes Eis“ nachzuempfinden sind. Sein vielsagendes „Erntezeit“ und sein „Als das Leben noch nicht losgegangen war“ sind pure Poesie. Zum Jahresabschluss darf sich ein
Wohnzimmer-Gast stets ein Lied wünschen, das dann alle Besucher mitsingen dürfen. Diesmal hat sich Holger Saarmann für den von Graham Nash komponierten Oldie „Teach Your Children“
entschieden. Und gerne stimmten viele dank der ausgehändigten Textblätter mit in den vom dem Trio gemeinsam intonierten Song mit ein.

Beim Liederabend in „Ulis Wohnzimmer“ am Freitag, 28. Februar, hat Zehfuß Nora Beisel und George Leitenberger mit auf der Bühne im „phillip eins“.